Travel through the seas

Reisebericht der 1. Etappe

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VON HOLLAND NACH PORTUGAL - UND WIEDER KOMMT ES ANDERS ALS GEPLANT!

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Ausgangslage:

Nach der langen Zeit der Vorbereitung soll nun in den kommenden Jahren die Zeit des "Reisens in Etappen" folgen. Dieses Jahr gönnen wir uns ein Zeitbudget von 8 Wochen, in denen wir von Holland nach Portugal segeln wollen. Unsere Nordlys ist bereits im April aus dem Winterlager geholt und eingewassert worden. Wir haben im Privaten und im Beruflichen voraussichtlich alles regeln können und freuen uns - wenn auch etwas nervös - auf die kommenden Wochen.

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Sonntag, 29. April 2018:

Vollbepackt mit technischem Material machten wir uns früh auf den Weg mit dem Zug zum Flughafen Zürich, damit wir rechtzeitig durch die Kontrollen kommen. Zur Stärkung gönnten wir uns im Wagon-Restaurant einen Kaffee mit Gipfeli. Wie sich später herausstelle, war dies zur Stärkung unserer Nerven sehr hilfreich, denn auf dem Monitor im Flughafen war bereits von weitem zu sehen, dass unser Flug nach Amsterdam mit „cancelled“ aufleuchtete. Nach einigem hin und her, half uns eine nette Dame am Infoschalter von easyjet, den Flug umzubuchen; neuer Abflugtermin nach Amsterdam am nächsten Tag und ab Genf!  

Mit der Bahn-Tageskarte in der Tasche machten wir uns, mitsamt unserem Gepäck, zurück zum Bahnsteig, wo wir den nächsten Zug von Zürich nach Genf nahmen. Wir genossen den Abend bei einem guten Glas Wein und einem feinen Nachtessen und legten uns müde in die Kissen. 

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Montag, 30. April 2018:

Ein anderer Tag, ein anderer Versuch von der Schweiz nach Amsterdam zu gelangen, aber dieses Mal klappte alles wie geplant. Mit dem Mietauto fuhren wir zur Seaport Marina in Ijmuiden, wo wir unsere „Nordlys“ - trotz stürmischem Wetter - wohlauf in Empfang nehmen konnten. 

Die Nacht von Montag auf Dienstag wurde es noch stürmischer; Windböen bis zu 43 kt waren für unsere Nordlys kein Problem, jedoch für uns schon eher😉. Wir wälzen uns hin und her, während der Wind durch die diversen Masten im Hafen heulte und wir mit jeder Böe das Gefühl hatten, dass sich unsere Landleinen nächstens lösen werden. Gegen 04.00 Uhr zogen wir das Ölzeug an und begaben uns an Deck, um ein gelockertes Fall nachzuziehen und unsere Leinen zu überprüfen. Alles war i.O., aber zur Sicherheit entschieden wir uns, zwei Landleinen doppelt zu sichern. Unser Nachbar hatte weniger Glück. Seine Leinen lösten sich und das Boot lag plötzlich quer in der Box. Schliesslich gelang es der Crew das Boot wieder festzubinden, zwar quer in zwei Hafenplätzen, aber sicher. 


Dienstag, 1. Mai 2018:

Nach dem Frühstück fuhren wir mit dem Mietauto los, um im Baumarkt und diverse Läden unsere letzten, grösseren Einkäufe zu tätigen. In Zaandam fanden wir einen „Hornbach“ und alles Material (und mehr...) , was wir noch benötigten.  Zurück auf dem Boot waren wir gefordert, für alles noch einen halbwegs geeigneten Platz zu finden😉. 




Mittwoch, 2. Mai 2018:

Bis am Nachmittag waren wir damit beschäftigt, alles Sicherheitsmaterial zu montieren und am korrekten Ort zu installieren. Wir wollten gerade das Boot sauber abschliessen, als wir an der Hafenpier Walter (unser Nachbar von Zuhause) und seine Partnerin sahen, die uns zuwinkten. Wir freuten uns riesig über diesen spontanen Besuch. Nach einem gemütlichen Apéro fuhren wir unser Mietauto zum Flughafen Schiphol, um es dort wieder abzugeben. Bis wir wieder zurück beim Boot waren, war es bereits ziemlich spät, weshalb wir uns zu unserem Lieblingsrestaurant am Strand von Ijmuiden (ZILT am Zee) machten und uns ein feines Nachtessen gönnten. 


Donnerstag, 3. Mai 2018:

Unser letzter Tag in der Seaport Marina in Ijmuiden – morgen schon soll es los gehen. Zwar nur ca. 5-6 Stunden von Ijmuiden bis Scheveningen, trotzdem gingen tausend und ein Gedanken durch unsere Köpfe. Ist dies wirklich der richtige Weg für unsere Nordlys oder sollten wir doch lieber in Richtung Norden ziehen?  Ist unser Boot für das alles tauglich? Haben wir alles unter Kontrolle? Kommt alles wie wir es uns gewünscht haben? Fragen über Fragen plagten uns und gingen uns durch den Kopf. Schlussendlich haben wir die Ausbildung absolviert, unser Boot seriös über 4 Jahre hinweg umgebaut, Schweizerflagge erhalten und in Technik und Sicherheit investiert. Jetzt geht es darum es  heraus zu finden und all diese Fragen im Laufe unserer Reise zu beantworten  – schliesslich ist noch kein Profi vom Himmel gefallen...vámonos😃. 


Freitag, 4. Mai 2018:

Um 10.00 Uhr waren wir soweit; frisch getankt, ging es hinaus auf eine enorm ruhige Nordsee mit Wind von max. 3 Knoten und Wellen von ca. 0.2-0.5 m. Poseidon und Petrus meinen es wirklich gut mit uns und so wollen wir uns nicht darüber beklagen, dass vielleicht 3-4 Knoten mehr Wind zum Segeln sehr schön gewesen wäre. Mit-Strom ging es mit einer Geschwindigkeit von teilweise über 7 Knoten über Grund (normale Geschwindigkeit unserer Nordlys = 5 Knoten) in Richtung Scheveningen. Gegen 15.00 Uhr waren wir bereits im Hafen angekommen und konnten an einer vom Hafenmeister zugewiesenen Gästeanlagestelle festmachen. Nach dem obligaten "Anleger-Bier" 🍺 inspizierten wir die sauberen und sehr grosszügig ausgelegten Einrichtungen der Marina. 

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Samstag, 5. Mai 2018:

Wir erfuhren vom Hafenmeister, dass an diesem Wochenende in Holland wegen einem Feiertag sehr viele Boote erwartet werden. Zudem startet am kommenden Dienstag eine Regatta und die ersten Schiffe (Rennjachten) werden bereits an diesem Wochenende erwartet. Nichtsahnend machten wir uns auf den Weg an den berühmten Sandstrand von Scheveningen. 

Als wir am späteren Nachmittag zu unserem Boot zurückkamen, hatten wir zwei weitere Boote auf Päckchen und der Hafen war proppenvoll mit Segeljachten. Es war uns bekannt, dass der Hafen von Scheveingen während den Sommerferien im Juli/August immer so vollgestopft ist, aber im Mai haben wir nicht damit gerechnet. Bei einem Apéro entschieden wir uns, noch einen Tag länger zu bleiben, die wunderschöne Stadt Den Haag zu besuchen und erst am Montag in Richtung Zeebrugge weiter zu ziehen. Unsere Entscheidung erwies sich als sehr weise, denn vor Mittag wären wir nicht aus dem Hafen herausgekommen. 


Sonntag, 6. Mai 2018:

Bereits um 09.00 Uhr stiegen wir ins Tram Nr. 16 (nur ca. 500 m vom Hafen entfernt) in Richtung Zentrum Den Haag. Dort schlenderten wir durch die Gassen direkt zum Marktplatz, wo wir es uns in einem schönen Gartencafé gemütlich machten. Gestärkt erforschten wir kreuz und quer die gemütlichen und architektonisch speziellen Gassen von Den Haag. Den Haag ist auf jeden Fall einen Besuch wert, eine sehenswürdige Stadt, die uns sehr gefallen hat. Zurück im Hafen, trafen wir alle Vorbereitung für unseren längeren Schlag von Scheveningen nach Zeebrugge. 

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Montag, 7. Mai 2018:

Leinen los um 06.00 Uhr, genau mein Ding!!! Da die Sonne aber bereits am Horizont aufging, war es auch für mich machbar. Nach einem anfänglichen Problem mit der Steuerung und einer Zusatzschlaufe im Vorhafen, hatten wir alles wieder im Griff. Schuld war wieder einmal der Autopilot, welcher aus unerklärlichen Gründen blockierte! Bei ruhiger Nordsee - ohne Wind und Wellen - liefen wir unter Motor Richtung „Maas Entrance“. Ohne grössere Schwierigkeiten – wir mussten nur zweimal unsere Geschwindigkeit reduzieren um hinter zwei grossen Schiffen den Weg zu kreuzen – querten wir die Hafeneinfahrt zu Rotterdam. Ab der Boje „MV“ konnten wir ohne weiteren Verkehr unseren Weg fortfahren. Für rund 2.5 Stunden versuchten wir die Genua zu setzen, was uns nur rund 0.4 kt brachte. Leider verabschiedete sich der Wind bis kurz vor Zeebrugge dann komplett; also Genua runter und Motor wieder an. Die Anfahrt zum Hafen von Antwerpen passierten wir ohne Probleme, aber bei der Einfahrt Zeebrugge war dann ordentlich etwas los. Aufgrund des steigenden Wasserpegels verliessen etliche Riesen den Hafen von Zeebrugge und wir wurden von der Port Control per Funk angewiesen, auf der östlichen Seite der Hafeneinfahrt zu warten, bis „Tiger“ ausgelaufen sei. „Tiger“, stellte sich heraus, ist ein grosses Frachtschiff (230m x 32m), welches uns zwang ca. 4 Ehrenrunden neben der Hafeneinfahrt zu drehen; dies bei querlaufender Strömung, aufkommendem Wind und zunehmendem Wellengang😓. Rund eine halbe Stunde später durften wir endlich die Hafeneinfahrt passieren und einen, für unser „Nordlysli“ etwas überdimensionierten, aber sehr angenehmen Hafenplatz im "Visserhaven" ansteuern. 

Zum guten Glück war der Hafenplatz so gross, gut gelegen und der Hafen mehr oder weniger leer, denn der Gashebel blockierte beim Anlegemanöver zum x-ten Mal im dümmsten Moment und nur weil es praktisch Windstill war, gelang es Patrick nach hinten ins Cockpit zu hetzen, um den dortigen Gashebel zu bedienen und das Manöver noch zu retten. Ich hingegen sprang hastig auf den Steg, um zumindest eine Landverbindung herzustellen. Überglücklich am Platz zu liegen, tankten wir ein Bier und fielen nach 12.5 stündigen Motorenlärm - müde jedoch glücklich -  in die Koje. 

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Dienstag, 8. Mai 2018:

Heute war unser erster richtiger Ferientag geplant. Einkaufen, schlafen, lesen, „chillen“ und geniessen. Während ich den Tag in Ruhe geniessen konnte, kam es für Patrick anders. Leider musste seine Büropartnerin und Stellvertreterin notfallmässig ins Krankenhaus. Die nächsten eineinhalb Tage entwickelten sich daher für ihn zu Bürotagen mit vielen Telefonaten und Schriftverkehr. Als wir endlich Zeit hatten, das Einlaufen in Zeebrugge nach zu besprechen, kamen uns langsam Zweifel auf, ob wir unserem "Gashebel-System" wirklich vertrauen können. Bei mehr Wind und noch engeren Verhältnissen könnte uns ein blockierter Gashebel doch arg in Schwierigkeiten bringen.  


Mittwoch, 9. Mai 2018:

Patrick erwachte bereits früh morgens, da ihn die technischen Probleme nicht los liessen. Nach einer erfrischenden Dusche, Kaffee und Frühstück suchten wir den Hafenmeister auf, um nach technischer Hilfe zu fragen. Wir erhielten die Telefonnummern der drei ansässigen Werften mit der Anmerkung: „Vermutlich wird keiner Zeit haben“. Und, oh Wunder, genau so war’s. Grundsätzlich wollte keine Werft vor Ende Pfingsten – also erst in 2 Wochen – sich unseren technischen Problemen annehmen😡!

Nach einem weiteren halben Bürotag entschlossen wir uns, Brügge zu besuchen. Patrick hatte dort eine super Zeit anlässlich seines Nachdiplom-Studiums vor rund 20 Jahren. Brügge ist eine wunderschöne, historische Stadt. Nur leider hatte es so kurz vor Auffahrt (AIDA war im Hafen von Zeebrugge) definitiv zu viele Touristen für uns „Seebären“. Zurück auf der Nordlys telefonierte Patrick mit unserem Freund und Mechaniker „Markus“ und bekam von ihm bestätigt, dass das Gashebel-Problem gelöst werden muss. Erste Befürchtungen, dass wir bereits im dritten Hafen gestrandet sind, kamen auf!!! Markus und wir wollten dies jedoch nicht einfach so hinnehmen. Unter mehrstündiger Fern-Anleitung von Markus, justierte Patrick kopfüber die Problemstelle der Synchronisationsplatte; somit verbleiben noch die Probleme mit der Steuerung und dem Autopiloten. Dafür bedarf es jedoch wesentlich mehr Zeit und einer fachmännischen Unterstützung.

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Donnerstag, 10. Mai 2018:

Vorweggenommen, es war eine schlaflose Nacht. Der zunehmende Druck von Seiten des Büros und die noch nicht behobenen technischen Probleme der Nordlys sowie die Tatsache, dass wir unser Zeit-Budget bereits arg strapaziert haben, liess uns keine Ruhe. Dabei war das Wetterfenster für diesen Monat fast perfekt! Unser Konflikt, zwischen vernünftigem Handeln und dem Drang unser Ziel Lissabon zu erreichen, wurde immer offensichtlicher. Nach diversen Abklärungen, Telefonaten, einem sehr kooperativen Hafenmeister und etlichen Fläschli's Wein, trafen wir gegen Abend die Entscheidung: „Wir unterbrechen unsere erste Reiseetappe und fahren zurück, zwecks Regelung der Probleme, um später in diesem Jahr unsere Etappe wiederaufzunehmen“! 


Freitag, 11. Mai 2018:


Während Patrick mit dem Hafenmeister alle Abklärungen, den Vertrag und die Zahlung regelte, machte ich mich daran, „klar Schiff“ zu machen – so wurde abgestaubt, Staub gesaugt, ausgelüftet usw.. Die Zeit verging wie im Fluge, schon wieder ein Hafentag vorbei – unser Fazit: an Bord braucht alles ein bisschen länger 😃. 




Samstag, 12. Mai 2018:

Bis wir unsere Nordlys umparkiert, alles gepackt und vorbereitet hatten, war es bereits wieder Nachmittag. Mit je 2 Handgepäck und einer Rolltasche beladen und bei gefühlten 30°C (o.k. es waren nur ca. 23°C), machten wir uns auf den Weg zur ca. 4 km entfernten Bahnstation "Zeebrugge Strand". Mit brennenden Fusssohlen standen wir ca. 1 Stunde später an der Bahnstation, wo wir ÖV-Banausen feststellen mussten, dass wir den letzten Zug um ca. 6 Minuten verpasst hatten und erst in zwei Stunden wieder der nächste Zug kommt.....na prima! 

Im Hotel im Zentrum von Brügge angekommen, entledigten wir uns unseres Gepäcks und schlenderten nochmals durch die gemütliche Innenstadt von Brügge. Durstig und mit Heißhunger setzten wir uns in ein gemütliches Restaurant und genossen ein feines Stück Fleisch vom Grill.


Sonntag/Montag, 13./14. Mai 2018:

Der gewünschte Abflug von Brüssel Airport war wegen einem Streik am Montag nicht möglich! Als Alternative verbleibt Amsterdam Schiphol. 

Diese Route verlief in der Folge planmässig – wir fuhren mit dem Zug über Brüssel nach Amsterdam Schiphol, übernachteten im Hotel "Citizen M" und warteten am Montag in der gemütlichen Lounge bis Zeit war einzuchecken und den letzten Teil unserer Heimreise anzutreten. Um 21.00 Uhr kamen wir - müde aber zufrieden - zu Hause an.



Wie geht's weiter:

Nun.... eines ist klar, unsere Nordlys muss bis spätestens im Oktober 2018 aus zollrechtlichen Gründen in Guernsey sein, und...wir wollen raschmöglichst mit unsere Reise fortfahren.

In den kommenden Wochen wird somit die neue Planung für den Teil 2 unserer 1. Etappe aufgestellt und alles notwendige organisiert. Wir halten Euch auf dem Laufenden und freuen uns bald wieder unterwegs zu sein.

Mit den besten Seemanns-Grüssen

Ingrid & Patrick